Ein Blick hinter die Bewertungssysteme (2024)

Die meisten Schweizer Unternehmen verfügen über ein Bonitätsrating einer Bank. Was genau zeigt ein Bankrating, Herr Frisch?

Ein Rating drückt die Kreditwürdigkeit eines Emittenten oder Kreditnehmers aus – im Fokus stehen dessen Leistungsfähigkeit und wirtschaftliche Stärke. Emittenten können Unternehmen, Körperschaften des öffentlichen Rechts und auch Länder, Kantone und Gemeinden – sogenannte Gebietskörperschaften – sein. Vereinfacht gesagt zeigt ein hohes oder tiefes Rating, wie wahrscheinlich es ist, dass das aufgenommene Kapital inklusive Zinszahlungen zurückbezahlt wird.

Die Bonitätsbeurteilung erleichtert oder erschwert somit die Kapitalaufnahme?

So ist es. Potenzielle Investorinnen und Investoren erhalten durch das Rating eine Indikation über die Zahlungsfähigkeit des Emittenten. Vor allem bestimmt die Bonitätseinstufung massgeblich, welchen Zinssatz ein Unternehmen oder ein Land für die Kapitalaufnahme zahlen muss.

Wie verhält es sich bei unbewerteten Unternehmen?

Solche Firmen können ebenfalls Kapital aufnehmen, aber es ist für sie bedeutend anspruchsvoller, Investorinnen und Investoren zu gewinnen. Ist die Indexfähigkeit nicht gegeben, reduziert dies den potenziellen Investorenkreis deutlich.

Was bedeutet Indexfähigkeit konkret?

Um beispielsweise im bekanntesten Obligationen-Index der Schweiz, dem Swiss Bond Index, aufgenommen zu werden und dann dort zu verbleiben, müssen Unternehmen beziehungsweise ihre Anleihen Kriterien erfüllen. So muss eine Anleihe unter anderem ein Mindestvolumen von 100 Millionen Franken, eine Restlaufzeit von mindestens einem Jahr sowie ein Investment Grade Rating (BBB-Rating oder besser) aufweisen. Hierfür ist es notwendig, dass entweder mindestens ein Investment Grade Rating einer international anerkannten Ratingagentur, namentlich Fitch, Moody's oder Standard & Poor's, oder ein Investment Grade Rating von mindestens zwei weiteren Institutionen – von der Zürcher Kantonalbank, UBS oder fedafin – vorliegen muss.

Und wenn diese Kriterien nicht erfüllt sind?

Die Indexzugehörigkeit ist im Schweizer Markt das entscheidende Kriterium, um für eine Investition überhaupt in Betracht gezogen zu werden. Vielfach dürfen institutionelle Investorinnen und Investoren nur Anleihen kaufen oder halten, die im Swiss Bond Index vertreten sind. Fällt eine Anleihe aus dem Index heraus, kann dies zu einem entsprechenden Verkaufsdruck führen, weil Investorinnen und Investoren diese Anleihen verkaufen müssen. Erfüllt eine Anleihe bereits bei der Begebung nicht die Kriterien für eine Indexaufnahme, kann sie von vielen Investorinnen und Investoren nicht gekauft werden.

Eine Bonitätsbeurteilung einer Bank erfüllt folglich eine wichtige Aufgabe für potenzielle Investoren und Schuldner.

Korrekt. Für alle Emittenten, die nicht über ein Rating der internationalen Agenturen verfügen, sind Bankratings zentral, denn Investorinnen und Investoren nutzen die Bankratings unter anderem als Grundlage für ihre Investitionsentscheidungen. Oftmals sehen die Anlagerichtlinien auch vor, dass nur Anlagen in Anleihen getätigt werden dürfen, die ein Mindestrating erreichen und durch ein entsprechendes Bankrating bestätigt sind.

Ganz generell nimmt die Anzahl Researchanbieter auf dem Schweizer Markt ab. Die Zürcher Kantonalbank hingegen baut das Research kontinuierlich aus. Die Gründe?

Vorweg: Die Zürcher Kantonalbank ist hierzulande die grösste Anbieterin von Research für Schweizer Aktien, Immobilien und Anleihen. Im Anleihenbereich beurteilen wir nahezu 180 Emittenten. In den vergangenen Jahren haben sich immer mehr Emittenten den Kapitalmarkt als Finanzierungsquelle erschlossen und Anleihen begeben. Unsere Bank hat zahlreiche Emittenten dabei begleitet und ihre Abdeckung kontinuierlich ausgebaut.

Nachdem die Credit Suisse durch die UBS übernommen wurde, hat diese ihre Credit Ratings per Anfang September 2023 komplett eingestellt. Dies führte dazu, dass einige Emittenten die Voraussetzungen für einen Verbleib im Index nicht mehr erfüllen. Wegen der möglichen Konsequenzen löste dies sowohl bei den Unternehmen als auch bei den Investorinnen und Investoren Unsicherheit aus. Dass wir weiter ausbauen, ist ein klares Zeichen an den Markt und die Emittenten, dass sie auf uns als zuverlässige Researchanbieterin setzen können.

Wenn in der Schweiz weniger Ratinganbieter existieren, weichen die Unternehmen dann auf ausländische Ratingagenturen aus?

Für viele Schweizer Emittenten ist eine Abdeckung durch ausländische Agenturen nicht zielführend – nicht nur aus Kostenüberlegungen, sondern weil eine internationale Bonitätseinschätzung nur dann benötigt wird, wenn die Unternehmen am internationalen Kapitalmarkt Geld aufnehmen möchten.

In der Vergangenheit kam es international zu spektakulären Fehlbeurteilungen bei den Ratingeinstufungen. Welche Sicherheitsmassnahmen gibt es nun, dass Fälle wie Enron, WorldCom oder die Subprime-Krise nicht mehr passieren?

Ratingagenturen werden durch verschiedene Organisationen reguliert – in den USA durch die SEC, in Europa durch die ESMA oder in Grossbritannien durch die FAC. Diese haben Massnahmen implementiert, unter anderem rund um Interessenskonflikte, Qualität, Transparenz und eine erhöhte Wettbewerbsvielfalt. Doch sind die Ratingagenturen immer auch selbst gefordert, geht es doch insbesondere um das Vertrauen in die Ratinganbieter. Es ist ihr ureigenes Interesse, Fehlbeurteilungen zu vermeiden.

Weshalb wenden die weltweit rund 100 Ratingagenturen keine einheitlichen Bewertungsmethoden an, um die Vergleichbarkeit der verschiedenen Ratings sicherzustellen?

Die Besonderheiten der einzelnen Emittenten lassen sich nur schwer in einem gänzlich standardisierten Verfahren abbilden. Zudem beurteilen die Analysten die Zukunftsaussichten eines Emittenten unterschiedlich, was entsprechend in die Bonitätsanalyse einfliesst. Nebst der Beurteilung der relevanten Kennzahlen wie dem Geschäftsrisiko- und dem Finanzrisikoprofil reflektiert das Rating insbesondere bei den Prognosen auch die subjektive Einschätzung des Analysten.

Die Vergabe eines Ratings ist mit einer hohen Verantwortung verbunden, denn dieses bedarf einer konstanten Überprüfung und bei veränderten Kennzahlen einer umgehenden Anpassung. Welche Bewertungsmethode wendet die Zürcher Kantonalbank an?

Es sind unterschiedliche Methodiken, um die Besonderheiten der einzustufenden Emittenten abzubilden. Bei Städten oder Kantonen berücksichtigen wir andere Kennzahlen als bei klassischen Unternehmen. Für Unternehmen nehmen wir sowohl eine Beurteilung des Geschäftsrisikos als auch eine Analyse des Finanzrisikos auf Basis verschiedener, teilweise industriespezifischer Kennzahlen vor. Bei sämtlichen Bonitätseinstufungen berücksichtigen wir die Entwicklung über den Konjunkturzyklus hinweg.

Wie wird sichergestellt, dass das Rating stets aktuell ist?

Wir verfolgen die Entwicklung der von uns abgedeckten Schuldner konstant und analysieren fortlaufend sämtliche relevanten Informationen – seien es publizierte Ergebnisse wie Jahres-, Halbjahres- oder Quartalsabschlüsse, Nachrichten zu M&A-Transaktionen oder Produktentwicklungen, um nur einige zu nennen. Diese lassen wir kontinuierlich in unsere Beurteilungen und Modellierungen mit einfliessen und schätzen deren Implikation für das bestehende Rating ein.

Was ist bei einem Rating generell wichtig zu wissen?

Wichtige Faktoren sind die zugrundeliegende Methodik, auf deren Basis ein Rating ermittelt wird, die Transparenz in der Informationsbeschaffung und die Herleitung des Ratings, also auf welchen Kennzahlen es basiert. Zudem muss der Fokus des Ratings beachtet werden – also ob es sich auf den Emittenten oder auf ein einzelnes Instrument, etwa eine Anleihe, bezieht.

Wie präsentiert sich die Bonität der Schweizer Unternehmensschuldner am hiesigen Anleihenmarkt?

Insgesamt als sehr gut. Der Schweizer Inlandmarkt, der Ende Oktober 2023 ein ausstehendes Anleihevolumen von rund 466 Milliarden Franken aufwies, ist vor allem ein Investment-Grade-Markt (BBB-Rating oder besser). Volumenseitig wird er von Schuldnern aus dem AAA-Segment dominiert, die für etwa 60 Prozent des ausstehenden Volumens verantwortlich sind. Das Segment von sogenannten High-Yield-Schuldnern ist sowohl absolut als auch relativ betrachtet sehr klein – es macht etwa ein Prozent des ausstehenden Volumens aus.

Wie ist dies im internationalen Vergleich zu beurteilen?

Auch im internationalen Vergleich schneidet der Schweizer Markt sehr gut ab. Die Schweiz wird wie überhaupt nur wenige Länder weltweit von allen drei grossen Ratingagenturen mit einem AAA-Rating eingestuft. Dies spiegelt sich auch in entsprechend hohen Bonitäten der Kantone und Städte wider. Aber auch im privaten Sektor ist die Bonität der Schweizer Unternehmen im internationalen Vergleich etwas besser einzustufen. Wie unsere Analyse Anfang 2023 zeigte, hat sich die Bonität der Schweizer Unternehmen in den vergangenen 20 Jahren nicht nur absolut verbessert, sondern auch der Abstand zu Corporates aus anderen Ländern ist etwas grösser geworden.

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